I Have a Dream – Auf der Suche nach verlorenen Visionen
Unsere offenen, demokratischen Gesellschaften sind zunehmend von populistischen und rechten Ideologien und Parteien bedroht. Uns geht zunehmend das verbindende verloren. Die schrillsten Stimmen finden am meisten Gehör und differenzierte Betrachtungen finden keinen Platz mehr im öffentlichen Diskurs. Zunehmend macht sich Mutlosigkeit breit und die eigenen Idealen verblassen.
Die Filmreihe will monatlich einen Film präsentieren. Der Fokus ist auf Ideale demokratischer und diverser Kultur gerichtet, auf Kämpfe von Emanzipationsbewegungen, gegen Unterdrückung und Kolonialismus. Die Befreiungskämpfe afrikanischer Länder, die Act Up-Bewegung oder Kampf für Menschenrechte sind zum, Beispiel Themen, denen sich Filme der Reihe widmen.
Dabei sind Widersprüche, Ängste, Verluste oder das Scheitern automatisch Gegenstand der Betrachtung. Die Filmreihe soll ermutigen und zum gemeinsamen Austausch einladen. Nach den Filmen gibt es jeweils die Einladung zum Austausch.
Das Kino Arsenal Berlin begibt sich 2025 auf Wanderschaft, da der Mietvertrag im Filmhaus am Potsdamer Platz ausgelaufen ist. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Kulturinstitutionen in Berlin, bundesweit und international entstehen Filmprogramme. Dieses Programm ist eines davon.
Im silent green Kulturquartier in Berlin-Wedding, wo seit 2015 das Archiv des Arsenal untergebracht ist, werden ab 2026 erstmals in seiner Geschichte alle Arbeitsbereiche (Kino, Berlinale Forum / Forum Expanded, Archiv und Verleih) an einem Ort vereint.
Resonance Spiral
Bewahrung der eigenen Wurzeln und revolutionären Geschichte
Im September 2022 wurde die Mediateca Onshore in Malafo, Guinea-Bissau, eingeweiht, was ein halbes Jahrhundert guineischer Filmproduktion markiert. Resonance Spiral dokumentiert den Bau dieses Gemeinschafts-Kinoraums – doch es entsteht so viel mehr. Teil eines jahrzehntelangen Projekts, initiiert von Filmemachern wie Filipa César, Sana na N’Hada und Marinho de Pina, ist das Gebäude ein Ort zur Bewahrung der Geschichte des guineischen militanten Kinos und ein Portal, um audiovisuelle Archive der revolutionären Bewegung des Landes zugänglich zu machen. Der Film begleitet Workshops in der multifunktionalen Struktur, während Frauen aus einer landwirtschaftlichen Arbeitervereinigung den Aufnahmen von Amílcar Cabral zuhören, der um 1970 für die Befreiung der Frauen plädiert. Dabei finden sie Ruhe und verbinden sich mit den Ahnenstimmen der Vergangenheit. Die Filmemacher bringen die Spannungen in ihrem Projekt ans Licht und hinterfragen die Normen des Dokumentarfilms. Ob im Gespräch mit Mangroven oder vertieft in bewegte Bilder, ist Resonance Spiral ein faszinierendes Experiment, um Gemeinschaft durch Kino zu schaffen.
»„Nichts fällt vom Himmel, außer Regen“, sagt Amílcar Cabral auf einer Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1970. Frauen des Landarbeiterinnen-Kollektivs Satna Fai lauschen dem historischen Dokument des Politikers, Poeten und Theoretikers, ruhen sich aus, während Cabral eine gleichberechtigte Rolle zwischen den Geschlechtern fordert, die für den gemeinsamen Fortschritt unabdingbar sei. Ort des Geschehens: das Abotcha-Gebäude in Malafo, einem traditionellen Balanta-Dorf in Guinea-Bissau, das seit 2023 die Mediateca Onshore beherbergt. Gemeinsam mit dem Filmemacher Sana na N’Hada und anderen arbeitet Regisseurin Filipa César seit 2011 daran, das audiovisuelle Gedächtnis der Befreiungsbewegung des Landes zu rekonstruieren und öffentlich zugänglich zu machen, auch der Künstler Marinho de Pina ist seit 2017 involviert. In Resonance Spiral dokumentieren César und de Pina den Bau der Abotcha und stattfindende agro-poetische Praxen, zeigen Dialoge zwischen Archiv, darstellender Kunst und Community. Gleichzeitig setzen sie sich mit der eigenen Position auseinander, teilen Erkenntnisse, Verzweiflung – und den Schlamm der Mangroven.« (Carolin Weidner)
Portugal/Guinea-Bissau/Deutschland 2024 · R: Filipa César, Marinho de Pina · Db: Regina Guimarães, Sana Na N’Hada • Mit Vanessa Fernandes, Mû Mbana, Cristina Mendes,Sana Na N’Hada, Bedan na Onça · Guineabiss. Kreol/Kapverd. Kreol/franz./port.OmeU · 92′
Mo 17. März 2025 • 18:00 Uhr im Cinema (kleiner Saal)
Guinea Bissau
Seit 1963 fand in Guinea Bissau und den Kapverden ein Guerilla-Krieg statt, der aber wegen der Isolation des Landes international wenig internationale Beachtung. Die PAIGC agierte dabei als gemeinsame Unabhängigkeitsbewegung für Portugiesisch-Guinea und die Kapverden. Die Stärke der portugiesischen Truppen soll Ende der 1960er-Jahre etwa 35.000 betragen haben. Die PAIGC konnte im Laufe der Zeit den größten Teil des Landes unter ihrer Kontrolle bringen und etablierte eine eigene Verwaltung. Es gab ein Frauenwahlrecht in den Gebieten, die von der Befreiungsbewegung PAIGC kontrolliert wurden. An den Befreiungskämpfen nahmen Frauen aktiv teil.
Portugiesischer Gouverneur und Oberbefehlshaber war von 1968 bis 1972 António de Spínola. Als Oberbefehlshaber konnte er einige Erfolge verbuchen, indem er wie die USA im gleichzeitig stattfindenden Vietnamkrieg auf den Einsatz von Napalm und Agent Orange setzte. Daneben gab es erfolgreiche Angriffe gegen rückwärtige Basen der PAIGC in Guinea.
Amílcar Lopes Cabral war ein guinea-bissauischer und kapverdischer Politiker, Dichter, Intellektueller, Theoretiker, Diplomat, Agrarwissenschaftler und Unabhängigkeitskämpfer.
Nach der Verfolgung durch die portugiesischen Kolonlailkräftr wegen seiner kritische Haltung flüchtete er nach Angola. Dort gründete er mit anderen die PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde). 1963 begann die Partei den bewaffneten Kampf für die Befreiung, der erst 1974 endete. Cabral war schließlich de-facto-Leiter der befreiten Gebiete. Nach mehreren versuchten Attentaten durch die portugiesischen Miltiärs bzw. Polizei wurde er am 20. Januar 1973 in Conakry bei einem Konflikt in den eigenen Reihen erschossen.
Weitere Links:
Kommentar der Filmemacher*innen
Interview mit den Filmschaffenden
Filipa César, geboren 1975 in Porto. Sie studierte Malerei an der Universität Porto sowie an der Universität Lissabon. Im Jahr 2008 schloss sie ein Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin ab. Seit 2011 erforscht sie die Ursprünge des Kinos der afrikanischen Befreiungsbewegung in Guinea-Bissau als Labor für dekolonisierende Epistemologien. Sie hat ihren ersten Langfilm Spell Reel 2017 im Forum uraufgeführt, Quantum Creole wurde 2020 im Forum Expanded gezeigt. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Marinho de Pina, Filmemacher, transdisziplinärer Künstler, Performer, Dichter, Musiker und Schriftsteller. Derzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Studies on Socioeconomic Change and Territory in Lissabon und promoviert über „Heilige Orte in Bissau“. Seit 2017 arbeitet er zusammen mit Filipa Cesár, Sana na N’Hada und Suleimane Biai in Guinea-Bissau am Programm „Mediateca Abotcha“ für die kulturelle Erschaffung von Träumen und Utopien mit der dortigen Gemeinschaft.
United in Anger: A History of ACT UP
Widerstand und Solidarität bei existenzieller Bedrohung
Die Aids-Epidemie in den späten 80er Jahren war u.a. durch die anfängliche Untätigkeiten der Regierungen, allen voran der Reagan-Administration in den USA geprägt. Dieser Politik der Ignoranz und Repression stellten sich mehr und mehr Menschen entgegen. Gleichzeitig wurde der Kampf an den Sterbebetten und im eigenen Körper ausgefochten.
Jim Hubbard, Filmemacher, Aktivist und Gründer des New York Lesbian and Gay Experimental Film Festival erzählt über die Planung und Durchführung von einem halben Dutzend Aktionen, die ACT UP durchführte, wie „Stop the Church“. ACT UP entstand 1987 in New York, um durch Aktionen mehr Dynamik und Politisierung in die Thematisierung von Aids zu bringen und mit Lobby-Arbeit politischen Druck auszuüben.
»In einer Zeit, in der sich 50 Prozent der AmerikanerInnen dafür aussprachen, infizierte Personen unter Quarantäne zu stellen, formierte sich in der Szene aktiver Widerstand. Mit Aktionen wie einem „Die-In“ in einer Kirche, der Verstreuung der Asche von AIDS-Toten im Vorgarten des Weißen Hauses oder der Übernahme der AIDS-Konferenz 1989 in Montreal zwang ACT UP die Regierung, ihre unmenschliche Politik zu ändern, und rettete damit unzählige Leben.« (Lesbisch-schwule Filmtage Hamburg)
USA 2012 · R: Jim Hubbard · Db: Ali Cotterill, Jim Hubbard · K: James Wentzy • Mit David Barr, Ken Bing, Gregg Bordowitz, Jim Eigo, Avram Finklestein · ab 12 J. · engl.OmU · 90′
Di 15. April 2025 • 18:00 Uhr im Cinema (kleiner Saal)
Der Code
Porträt des Autors Ka.tzetnik
Yehiel De-Nur, bekannt unter dem Pseudonym Ka.tzetnik, erlebte in Auschwitz die Schrecken der Shoah, die er nach dem Krieg literarisch verarbeitete. Seine Werke thematisieren Gewalt, Folter und Kannibalismus und reflektieren die Abgründe des Menschlichen. Diese radikale Aufspaltung in zwei Persönlichkeiten – der Schriftsteller Ka.tzetnik und der bürgerliche De-Nur – war seine Strategie, um mit seinem Trauma umzugehen. Während er als Ka.tzetnik Bestseller verfasste, lebte er gleichzeitig als Ehemann und Vater in Israel. Seine provokanten Titel, wie „Ich bin der SS-Mann. Eine Vision“, haben Israel bewegt und auch kulturelle Einflüsse, wie die Indie-Band „Joy Division“, inspiriert. Der Eichmann-Prozess brachte schließlich die Konfrontation zwischen De-Nur und Ka.tzetnik, was zu einem Zusammenbruch seines Konstrukts führte. Auch 30 Jahre nach dem Krieg suchte er in den Niederlanden durch LSD-Therapie nach Frieden. Die Dokumentar-Biografie visualisiert diese Persönlichkeitsspaltung und thematisiert die Möglichkeiten der Traumabewältigung sowie den Wert subjektiver Wahrheit durch Berichte von Zeitzeuginnen und animierte Sequenzen.
So 23. März 2025 • 11:00 Uhr im Cinema (kleiner Saal)
Silvina Landsmann ist eine in Tel Aviv lebende Dokumentarfilmerin, deren kinematografische Methode auf Beobachtung und Zuhören beruht. Kombiniert mit einer sozialen Perspektive, bieten ihre Filme einen Einblick in die turbulente Realität Israels.
Geboren und aufgewachsen 1965 in Buenos Aires, wanderte sie als Kind mit ihrer Familie nach Israel ein, um dem argentinischen Militärregime zu entkommen.
Nach Abschluss ihres Studiums an der Filmabteilung der Universität Tel Aviv zog sie nach Paris, wo sie in verschiedenen Rollen im Dokumentar- und Spielfilmbereich tätig war.
Ihr erster Film, Collège (Frankreich, 1998), wurde mit dem Grand Prix des Filmfestivals Les Ecrans Documentaires ausgezeichnet.
Zurück in Israel, gründete sie Comino Films, um ihre preisgekrönten Filme zu produzieren und zu inszenieren:
- Post Partum (2005)
- Unto thy Land (Grand Prix des Ateliers d’Art de France 2007)
- Soldier/Citizen (Berlinale 2012 – Besondere Erwähnung)
- Hotline (Berlinale 2015; Preis für den besten Dokumentarfilm auf dem Jerusalem Film Festival 2015)
- The Good Soldier (2021)
Die ersten 54 Jahre - Israelische Soldaten erzählen
Breaking the Silence
Ernsthaft in die Tat umsetzen wird hoffentlich keiner, was Avi Mograbi uns da aus dem Wohnzimmersessel anbietet: eine Kurzanleitung zur militärischen Besatzung. Seine strategischen Betrachtungen haben den unschuldigen Anstrich allgemeiner Überlegungen, wie man ein fremdes Territorium gegen alle Widerstände erfolgreich besetzt. Als Musterbeispiel dient ihm die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete in der Westbank und im Gaza-Streifen. Aussagen von israelischen Soldaten über ihren Dienst dort, die für die Organisation Breaking the Silence entstanden, veranschaulichen den jahrzehntelangen Alltag und die historischen Etappen der Besatzung. In ihrer Nüchternheit sind diese Beschreibungen von alltäglicher Willkür und Grausamkeit erschütternd und schwer erträglich. Zeitzeugenberichte und Verwendung von Archivmaterial sind nur zwei der dokumentarischen Grundtechniken, denen Mograbi mit seiner Kurzanleitung einen reflexiven Rahmen und analytische Schärfe verleiht. Dabei konzentriert er sich, ohne Relativierungen, auf die Seite der Täter. Scharfzüngig und ironisch wie oft, angesichts der anscheinend nicht aufhaltbaren Eskalation aber auch ratlos und voller Trauer. (Anna Hoffmann)
THE FIRST 54 YEARS – AN ABBREVIATED MANUAL FOR MILITARY OCCUPATION Deutschland/Finnland/Frankreich/Israel 2021 · R: Avi Mograbi · Db: Avi Mograbi · K: Philippe Bellaiche, Tulik Galon • Mit Dani Vilenski, Shlomo Gazit, Roni Hirschson, Zvi Barel u.a. · + hebrä./engl.OmeU · 108′
So 27. April 2025 • 11:00 Uhr im Cinema (kleiner Saal)
Silvina Landsmann ist eine in Tel Aviv lebende Dokumentarfilmerin, deren kinematografische Methode auf Beobachtung und Zuhören beruht. Kombiniert mit einer sozialen Perspektive, bieten ihre Filme einen Einblick in die turbulente Realität Israels.
Geboren und aufgewachsen 1965 in Buenos Aires, wanderte sie als Kind mit ihrer Familie nach Israel ein, um dem argentinischen Militärregime zu entkommen.
Nach Abschluss ihres Studiums an der Filmabteilung der Universität Tel Aviv zog sie nach Paris, wo sie in verschiedenen Rollen im Dokumentar- und Spielfilmbereich tätig war.
Ihr erster Film, Collège (Frankreich, 1998), wurde mit dem Grand Prix des Filmfestivals Les Ecrans Documentaires ausgezeichnet.
Zurück in Israel, gründete sie Comino Films, um ihre preisgekrönten Filme zu produzieren und zu inszenieren:
- Post Partum (2005)
- Unto thy Land (Grand Prix des Ateliers d’Art de France 2007)
- Soldier/Citizen (Berlinale 2012 – Besondere Erwähnung)
- Hotline (Berlinale 2015; Preis für den besten Dokumentarfilm auf dem Jerusalem Film Festival 2015)
- The Good Soldier (2021)